Investec AM: Nächste Baisse wird ETF-Anlegern die Augen öffnen
"Können Millionen Menschen, die mittels Autopilot investieren, einen ohnehin schon teuren Kapitalmarkt noch höher treiben?“. Laut Ansicht von Philip Saunders, Co-Head of Multi-Asset Growth bei Investec Asset Management, scheint diese Frage vor dem Hintergrund des ETF-Booms derzeit mehr als berechtigt zu sein.
Seit 2008 haben Anleger aus aktiv investierenden US-Aktienfonds mehr als 800 Milliarden US-Dollar abgezogen und 1.800 Milliarden US-Dollar in Aktienindexfonds respektive Aktien-ETFs umgeschichtet. Laut Saunders habe Jack Bogle, einer der entscheidenden Wegbereiter des passiven Investierens, dies im September letzten Jahres in der New York Times als "Gezeitenwechsel – eigentlich eher einen Tsunami“ beschrieben. Im ersten Quartal 2017 hat diese Welle weiter Tempo aufgenommen: Die Nettomittelzuflüsse in US-notierte Aktien-ETFs betrugen 97 Milliarden US-Dollar, fast fünfmal so viel wie jene 20 Miliarden US-Dollar aus dem ersten Quartal 2016.
Daher verfolgt Saunders das Geschehen mit Argwohn. "Die schiere Größe und die Mittelbewegungen von ETFs haben inzwischen einen spürbaren Einfluss auf die Aktienmärkte, sowohl auf deren Bewegungen insgesamt als auch auf die relative Preisbildung der einzelnen Aktien“, sagt er. Seiner Beobachtung nach entfallen von den 6,7 Billionen US-Dollar des Gesamtbörsenwerts der Wall Street über 50 Prozent auf passive Strategien. Dazu müsse man noch die quasi-passiven Strategien hinzurechnen, mit denen aktive Fonds ihr Abweichungsrisiko zum Index steuerten, so Saunders.
ETF-Anleger kaufen blind die Vergangenheit
"Die Risiken am Aktienmarkt steigen“, lautet seine Diagnose. Zumal es der drittlängste Bullenmarkt seit den 1920er Jahren sei, angetrieben vor allem von fallenden Zinsen. "Zinssensible Aktien wie etwa die von US-Hausbaufirmen waren am Aktienmarkt lange führend, bis im Sommer 2016 die langfristigen Zinsen ihr zyklisches Tief erreichten“, beobachtete Saunders.
Seitdem sei es vor allem ein von Momentum getriebener Markt, der klar die Gefahr berge, dass passive Geldströme diesen Trend noch verstärkten. Zumal die Zuflüsse aus den passiven Anlageprodukten vor allem auf Basis der Marktkapitalisierung investiert werden, also bevorzugt in die ohnehin schon marktbeinflussenden Unternehmnsschwergewichte. Deren höhere Kapitalisierung ist allerdings das Ergebnis eines schon guten Laufs an der Börse.
Den Letzten beißen die Hunde
Saunders rät daher Investoren zum genauen Hinschauen. "Der nächste Bärenmarkt wird kommen – und er wird den späten Investoren in passiven Produkte ihre Risiken offen vor Augen führen“. Die Aktienselektion sollte daher auf den Fundamentaldaten der Unternehmen basieren, rät er. Denn je näher das passive Investieren der Sättigungsgrenze entgegenstrebt, desto größer wird auch wieder die Streuung am Aktienmarkt. Und das bedeute eine Renaissance der aktiven Portfoliomanager.